Immer dicht vor der Resignation

Disclaimer: Heute geht es ausschliesslich um Möbelrestaurierung und das kann dem einen oder anderen zu fachspezifisch daher kommen.

Im letzten Beitrag berichtete ich von einem Sekretär, den ich begonnen hatte zu restaurieren. Auch nach langer Recherche bin ich mir nicht sicher, wer das Stück wann gebaut hat. Gekauft wurde das Teil in Frankreich. Das abnehmbare Oberteil war mit normalem Aufwand in guten Zustand versetzt (etwas Furnier ersetzt, grundiert und Schellack poliert).

Als ich mich an den restlichen Teil heran machte merkte ich, dass das Furnier mit synthetischem Leim aufgelegt wurde. So eine Art Schuhkleister, auch Kontaktzement genannt. Dieses Zeug ist erst in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts erfunden worden und mir ist nicht bekannt, ab wann das auch im Möbelbau zum Einsatz kam.

Ich habe an allen Stellen des Sekretärs nach Hinweisen zum Alter gesucht, jedoch nichts brauchbares gefunden. Der Korpus ist aus Birke (oder Birne) furniert mit Mahagoni. An manchen Stellen findet man Reparaturen, die relativ grobschlächtig in Eiche ausgeführt wurden. Das Möbel war auch hinten furniert und eingefärbt – die hinteren Beine standen ursprünglich heraus – was darauf schließen lässt, das es konzipiert wurde frei im Raum zu stehen (wie zum Beispiel in einem Buchhaltungsbüro).

An den folgenden Bildern ist erkennbar, dass eine Mechanik verbaut wurde, die bei geschlossener Klappe die oberen drei Schubladen verriegelt.

Wenn man die Klappe vollständig öffnet, fährt mittels einer Mechanik (die ich geringfügig reparieren musste) das Innenleben des Sekretärs nach vorne und eine Schreibunterlage aus Leder wird nutzbar. Im Inneren drückte bei vollständig geöffneter Platte eine spezifisch geformte Leiste gegen die Federn, die dann die oberen Schübe entriegelte. Weil das offenbar irgendwann nicht mehr richtig funktionierte hat ein Mensch die Leiste mit einem Stechbeitel abgeschlagen und die Fallen für die Riegel, die an der Unterseite der Schübe angebracht waren, entfernt. Nun ist das ohne Funktion und bleibt einer späteren Restauration vorbehalten.

Eines der unteren Schubfächer hatte noch ein separat zu verschliessendes Innenfach sowie eine Einlage. Dei Teile fehlen jedoch

Da ich also schon über das Baujahr dieses Sekretärs nicht schlüssig werden konnte, beschäftigte ich mich mit der Frage, wie man mit dem losen Furnier und den Fehlstellen umgehen sollte. Ich habe Restauratoren befragt und bin nicht wirklich schlauer geworden. Also habe ich experimentiert. Im Endeffekt hat folgendes am besten gewirkt: Eine 50/50 Mischung aus Aceton und Toluol zeigte den besten Lösungseffekt. Ein Stück Baumwolle damit getränkt, auf das Furnier gelegt mit Folie abgedeckt und mit einer Zulage gepresst und das so über Nacht „durchziehen“ lassen. Die Dämpfe benebeln ordentlich – im Sommer hätte ich das im Freien gemacht. Die losen Stellen an den Seiten und zwei Schubladenfronten habe ich damit niederlegen können. Was ich nicht weiss: wie lange hält das? Eine andere Möglichkeit hat sich mir aber nicht erschlossen. Für die geschwungene Fläche über der Klappe habe ich unter Zuhilfenahme einer Konturenlehre eine Form gefertigt und mehrere so gefräste Teile zusammen geleimt. So konnte ich immer ca. 15 cm verleimen – das dauerte also entsprechend und brachte mich zeitweilig ans Ende meines Mutes.

Das untere mittlere Schubfach habe ich neu furniert. fehlende Stellen am Korpus habe ich mit den Resten des Furniers ausgebessert, das ich vom Schubfach abgenommen hatte. Alle diese Einsetzungen / Neuverleimungen wurden mit Haut-und Knochenleim vorgenommen, nachdem ich die Leimreste mittels Lösemittel und Scraper entfernt hatte.

Und danach schleifen, grundieren, schleifen, polieren, polieren, polieren…

Auch die Beine mussten aufgehübscht werden. Die sahen aus, als wären die nur flüchtig mit Schellack gestrichen worden – passten irgendwie nicht zur sonstigen Oberfläche (vielleicht auch nicht original…?). Zumindest sind sie aus vollem Mahagoni gearbeitet und nach obig beschriebener Prozedur wurden sie mit Haut und Knochenleim mit Spanngurten und anderen Hilfskonstruktionen an den Korpus geleimt. Die hinteren Beine habe ich an der zuvor geänderten Position belassen.

Und so sieht das gute Stück nun aus:

Ich wünsche ihm ein langes Leben!

Allen die bisher von meinen Ausführungen nicht erschlafft und bis hierhin gelesen haben wünsche ich trotz oder gerade wegen des Waffengerumpels im Osten einen schönen Frühling! Leider kein Ende des Gemetzels in Sicht…

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